Der Industriepark Midong wurde im September 2005 gegründet und stellt ein großflächiges Industriegebiet, mit überwiegend chemischer Industrie, auf Regionalebene dar und bietet vergleichbare Investitions- und Entwicklungsmöglichkeiten wie die zwei auf Staatsebene geförderten Wirtschafts-und Technologiezonen in Urumqi. Die gesamte geplante Fläche beträgt ca. 108 km². Im September 2007 wurde der Pilotplan zur Förderung der Kreislaufwirtschaft im Industriepark Midong durch die Handel- und Wirtschaftskommission der autonomen Region Xinjiang genehmigt. Midong war damit einer der ersten Kreislaufwirtschaftsparks in Westchina. Bis zum Jahr 2010 hatten sich etwa 300 Unternehmen unterschiedlicher Größe mit insgesamt ca. 20.000 Beschäftigten in Midong angesiedelt. Im Jahr 2009 betrug die Wertschöpfung des Industrieparks 33 Milliarden RMB und damit ca. 92% der gesamten Region Midong.
Zur Untersuchung der Entwicklung der Kreislaufwirtschaft im Industriepark und um die Meinung und das Verhalten wichtiger Akteure der Unternehmen zu eruieren, wurden zwei Fragebögen mit Schwerpunkt Kreislaufwirtschaft, einer für die einzelnen Unternehmen und ein weiterer für den gesamten Industriepark, erstellt. Hierbei wurden 12 wesentliche Pilotprojekte zur Kreislaufwirtschaft in 7 Unternehmen abgebildet. Auf Grundlage der hierdurch gewonnen Daten und Erkenntnisse konnten erste wesentliche Stoffströme und Stoffaustauschbeziehungen zwischen den einzelnen Unternehmen abgebildet werden.
Zur nachhaltigkeitsorientierten Beeinflussung und Steuerung betrieblicher und zwischenbetrieblicher Abfall- bzw. Stoffströme im Rahmen eines modernen industriellen Abfallmanagements müssen diese transparent gemacht und möglichst detailliert abgebildet werden. Grundlage hierfür sind aktuell verfügbare Abfall- und Stoffdaten der Unternehmen. Durch die Datenerhebung mittels einer speziellen Abfallmanagement-Software lassen sich sowohl innerbetriebliche, als auch überbetriebliche Schwachstellen und Potenziale identifizieren und abbilden. Hierdurch wird ein transparenter kontinuierlicher Verbesserungsprozess angestoßen. Im Unterschied zur Erhebung wesentlicher Stoffströme durch Befragungen, die jeweils nur zeitlich punktuelle Daten liefern, bietet eine Software die Möglichkeit, kontinuierlich Daten zu erheben und laufend Analysen vorzunehmen.
Um diese Vorteile zu generieren, entschlossen sich die deutsch chinesischen Partner eine Abfallmanagement-Software im Projekt einzusetzen, welche auch über den Projektzeitraum hinaus eine nachhaltige Verstetigung des industriellen Abfallmanagements gewährleistet. Eine ausführliche Marktanalyse ergab aber, dass eine im Sinne der Projektziele einsetzbare Software auf dem chinesischen Markt bislang nicht erhältlich ist.
Implementierung einer Abfallmanagement Software im Industrie Park
Die chinesischen und deutschen Projektpartner nahmen die Entwicklung einer geeigneten Software deshalb selbst in die Hand und schufen ein Instrument, das sowohl den internen Anforderungen bezüglich relevanter Abfallinformationen und Analysen der einzelnen Industriebetriebe, als auch den Notwendigkeiten einer zwischenbetrieblichen Koordination (z. B. durch ein zentrales Industrieparkmanagement) und eines Stoff- bzw. Informationsaustauschs gerecht wird. Die Abfallmanagement-Software basiert auf dem weit verbreiteten Microsoft Programm Access des Office Pakets und ist somit meist einfach in das bereits existente IT-Umfeld der teilnehmenden Unternehmen zu integrieren. Die chinesisch-deutsche Entwicklung der Software begann im Herbst 2009 auf der Grundlage einer bereits vom IUWA für den deutschen Markt entwickelter Software. Ende des Jahres 2010 wurde die aktuelle Version durch die Xinjiang Academy of Environmental Protection Sciences, dem chinesischen Partner der Arbeitsgruppe „Materials“, getestet und an einzelne Unternehmen als Beta-Tester ausgeliefert.
Entity Relationship Modell des IUWA Abfallmanager
Hauptmenü der chinesischen Version des IUWA-Abfallmanagers
Stoffemaske mit dem hinterlegten chinesischen nationalen Katalog gefährlicher Abfälle
Über drei Hauptmasken lassen sich die für das Abfallmanagement relevanten Daten eingeben und speichern. Die Software erfasst zunächst Stammdaten, etwa die Adressen der eigenen Firma, der Entsorgungs- und Transportfirmen sowie der Behörden; die Stoffe, die als Abfälle oder als Sekundärrohstoffe im Unternehmen eine Rolle spielen; die Stellen bzw. Orte an denen die Stoffe im Laufe ihres Lebenszyklus innerhalb und außerhalb des Unternehmens betrachtet werden (von der „Anfallstelle“ in der Produktion über Zwischenlager und Sammelbehälter bis hin zur Entsorgungsanlage oder Wiederaufbereitungsstelle).
Die Erfassung der Stammdaten wird durch eine Reihe von vorgegeben Datenbeständen, wie dem chinesischen nationalen Katalog gefährlicher Abfälle, einem Katalog für nicht-gefährliche Abfälle, einer Mitarbeiterdatenbank (Zugriffskontrolle und -dokumentation), und einem Verzeichnis zulässiger Entsorgungs- und Verwertungsverfahren unterstützt. In der täglichen Unternehmenspraxis laufen alle Informationen auf der sogenannten Buchungsmaske bzw. in der darunterliegenden Buchungsdatenbank zusammen. Hier werden alle Entsorgungsvorgänge detailliert dokumentiert. Gleichzeitig dient dieser Datenbestand als Grundlage für alle statistischen Auswertungen und die Erstellung gesetzlich vorgeschriebener Dokumente. Zur Unterstützung eines betrieblichen nachhaltigen Abfallmanagement enthält die Software eine Anzahl automatisch generierter Indikatoren. Weitere Berichtsmöglichkeiten unterstützen das interne Berichtswesen sowie die Vorbereitung auf die Zertifizierung nach ISO 14000.
Die Software basiert auf einer Client-Server Struktur, die Daten werden hierbei auf einem zentralen Server gespeichert auf den die einzelnen Nutzer innerhalb der Firma mit ihren PCs zugreifen können. Unterschiedliche Nutzerrechte gewähren neben der Sicherheit der Daten, die Möglichkeit innerhalb des Unternehmens sämtliche Informationen über die Abfallströme und Kosten erhalten zu können. Die Software bietet weiterhin die Möglichkeit einer multilingualen Nutzung in deutsch, chinesisch und englisch.
Die Abfälle der Provinz Xinjiang und damit auch des Industrieparks Midongs werden auch heute noch überwiegend deponiert, ein adäquates Recycling findet so gut wie nicht statt. Die Deponielagerung stellt langfristig aber keinen praktikablen Ansatz zur Lösung des Abfallproblems dar, und auch die Müllverbrennung wäre wegen der damit verbundenen Emissionen in die Umwelt sowie der verbleibenden Rückstände mit hoher Schadstoffkonzentration wahrscheinlich nur eine second-best Alternative. Die beste Lösung liegt daher immer noch in der Abfallvermeidung, ergänzt durch ein funktionierendes Recycling der im Müll enthaltenen Wertstoffe und deren Wiedereinführung in die Produktionskreisläufe, soweit dies mit wirtschaftlich und ökologisch akzeptablen Verfahren möglich ist. Die Prioritätenfolge der Abfallvermeidung vor der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung einer modernen Abfall- bzw. Kreislaufwirtschaft ist auch den Entscheidungsträgern in Urumqi und insgesamt in China wohlbekannt und hat ihren Niederschlag auch in diversen Gesetzen und Verordnungen gefunden, so z. B. im Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft der Volksrepublik China in den Kapiteln III und IV. Auch mit dem aktuellen 12. Fünfjahresplan (2011–2015) hat die chinesische Regierung anspruchsvolle und weitreichende Ziele zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft und insgesamt zur Stärkung einer nachhaltigen Entwicklung ausgegeben. Zur Umsetzung der kreislauf- und abfallwirtschaftlichen Zielsetzungen fehlt es in China aber bis heute an wesentlichen Grundlagen, wie einem einheitlichen Klassifizierungssystem auch für nicht-gefährliche Abfälle, wie es etwa in Europa mit dem Europäischen Abfallkatalog zur Anwendung kommt. Gerade aber im Bereich der nicht-gefährlichen Abfälle ist das ökonomische wie ökologische Potenzial durch Vermeidung und Rohstoffrückgewinnung besonders hoch. Doch um, auch die vermeintlich nicht-gefährlichen, Abfälle durch das Einleiten geeigneter Vermeidungsmaßnahmen erst gar nicht entstehen zu lassen und um für die unvermeidbaren geeignete Wiederverwendungs- bzw. Verwertungspfade zu identifizieren braucht es qualitativ verlässliche Informationen in Form rechtsverbindlicher Klassifizierungen und Charakterisierungen all dieser Arten von Abfällen. Im Rahmen der deutsch-chinesischen Konzeption des IUWA Abfallmanagers, der es den Unternehmen erleichtern soll, betriebsintern Informationen über die Art und Menge anfallender Abfälle zu generieren sowie hierauf aufbauend zwischenbetrieblich Stoffaustauschmöglichkeiten zu identifizieren, haben wir deshalb neben dem chinesischen Katalog für gefährliche auch einen für nicht-gefährliche Abfälle implementiert. Grundlage für die Entwicklung dieses chinesischen Katalogs für nicht-gefährliche Abfälle waren die Listen der Anhänge VIII und IX des „Basler Übereinkommens“, in denen die für die Zwecke des Übereinkommens als nicht gefährlich eingestuften Abfälle aufgeführt sind.
Katalog nicht-gefährlicher Abfälle
Zu den besonderen Herausforderungen, denen sich schnell wachsende Millionenstädte wie Urumqi im Stadtmanagement stellen müssen und auf die sich auch das Projekt RECAST Urumqi konzentriert zählen die Infrastrukturbereiche Energie, Wasser bzw. Abwasser und Abfall. Um diesen Herausforderungen adäquat begegnen zu können, ist eine belastbare Datengrundlage für die genannten Bereiche unerlässlich. Den geographischen Untersuchungsraum dieser Forschungsarbeit bildet der aus den Städten Miquan und Dongshan hervorgegangene und im Nord-Osten von Urumqi liegende Verwaltungsbezirk Midong. Die Zusammenführung zweier Verwaltungseinheiten, die zuvor verschiedenen Administrationen unterstellt waren und ähnliche Probleme vielfach unterschiedlich angingen, führte zu großer Heterogenität und Inkompatibilität einer ohnehin nur dürftigen Datenlage und stellt Midong damit vor zusätzliche Schwierigkeiten. Insofern ist die Schaffung einer homogenen und qualitativ hochwertigen Datengrundlage für Midong von großer Bedeutung. Die Task Group Materials hat Haushaltsbefragungen zum Problembewusstsein und zum Verhalten der privaten Haushalte in Bezug auf die Bereiche Energie, Wasser und Abfall durchgeführt. Die Durchführung der Haushaltsbefragungen erfolgte in sechs, die Bevölkerungsstruktur Midongs repräsentierenden, Stadtteileinheiten, die zuvor zu Miquan bzw. Dongshan gehörten.
Ausgewählte Stadtteile Midongs: C1=Dipang, C2=Tonghui, C3=Bafang, C4=Yuanyi, C5=Hongqiao, C6=Minzhu
Die entsprechenden Fragebögen wurden vom IUWA designt und in enger Abstimmung mit den chinesischen Partnern auf die dortigen Verhältnisse angepasst. Auf die Durchführung der als face-to-face angelegten Befragung wurden die chinesischen Interviewer-Teams zunächst durch eine mehrtägige capacity building Maßnahme vorbereitet. Die Fragebögen selbst bestehen aus ca. 70 Fragen (offen und geschlossen), aufgeteilt insieben Module. Neben Fragen zu den Kernthemen Abfall, Wasser/Abwasser und Energie enthalten sie Fragen zum Wohnumfeld und der Wohnsituation, zur Person und der persönlichen Problemeinschätzung sowie zu Empfehlungen und Wünschen. Das Modul Abfall etwa enthält Fragen zu Trenngewohnheiten, Müllbehältern, Entsorgungsarten und -wegen einzelner Fraktionen oder Gebühren. Auch Vorschläge zur Abfallentsorgung und deren Bewertung werden an dieser Stelle abgefragt. Zentrale Fragen des Bereichs Wasser beziehen sich auf Wasserqualitäten, Herkunft, Verbrauchsmengen und Kosten. Entsprechend beziehen sich Fragen im Bereich Energie auf Energieverbrauch und -kosten, genutzte Energiearten, Heizgewohnheiten oder Energiesparmaßnahmen. Der Fragebogen schließt mit Einschätzungen von Verbesserungsbedarfen auf diversen umweltrelevanten Feldern.Durch die Untersuchung konnten weitreichende Erkenntnisse zum Umgang mit Abfällen, Wasser, Energie sowie Umweltbildung im häuslichen Umfeld gewonnen werden. Umweltrelevante Bereiche, die von den Befragten als besonders problematisch und dringlich gesehen werden sind mit 83,1% Luftqualität, mit 65,7% Wasserqualität und mit 49,1% Abfallentsorgung. Die Untersuchungen haben darüber hinaus ergeben, dass 55% der Befragten uneingeschränkt Müll trennen würden, wenn sie wüssten wie und wenn sie Vorteile hieraus hätten. Hier sollte mehr Aufklärungsarbeit, möglichst schon im Schulunterricht, geleistet, die nötige Infrastruktur bereitgestellt und die Abfallgebühren verursachergerecht (vom Wasserverbrauch entkoppelt) gestaltet werden. Auf weiteren Aufklärungsbedarf lässt auch der Kenntnisstand in Bezug auf Nachhaltigkeit schließen. Nur 6% der Befragten können mit diesem Begriff etwas anfangen. Der angegebene Haushalts-Wasserverbrauch ist mit 48,8m³ pro Haushalt und Jahr auch für chinesische Verhältnisse gering. 74% führen als Grund für dieses sparsame Verhalten stark gestiegene Wasserpreise an. Steigende Preise geben auch im Energiebereich 72% als Grund für die Verstärkung ihrer Energiesparbemühungen und -maßnahmen an.
Bedeutung der Problembereiche Luftqualität, Wasserqualität, Abfallentsorgung